Montag, 1. Juni 2020

Die Obrigkeit (in Zeiten von Corona)

In seinem sehr empfehlenswerten Kommentar zum Römerbrief schreibt Rudolf Brockhaus zu Kapitel 13:
»Der Christ ist zwar nicht von der Welt, aber noch in der Welt, gleich seinen Mitmenschen, und so ist er verpflichtet, den obrigkeitlichen Gewalten zu gehorchen, und zwar aus Gründen, die für ihn von der höchsten Bedeutung sind. Zunächst ist die Obrigkeit „von Gott verordnet“, dann ist sie „Gottes Dienerin“, und schließlich sind die von ihr angestellten Personen „Gottes Beamte“ (V. 4+6). Es könnten kaum ernstere Gründe für unsere Verpflichtungen der Obrigkeit gegenüber aufgeführt werden. Ganz ähnlich ermahnt der Apostel Petrus in seinem ersten Briefe die Gläubigen aus der Beschneidung, sich um des Herrn willen aller menschlichen Einrichtung zu unterwerfen (Kap. 2, 13+14).«
»Selbstverständlich bleibt das bekannte, dem Synedrium gegenüber ausgesprochene Wort der Apostel: „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“, allezeit zu Recht bestehen. Stellt eine obrigkeitliche Gewalt eine Forderung an uns, die dem klar ausgesprochenen Willen Gottes zuwiderläuft, deren Erfüllung also unser Gewissen belasten würde, dann muss dieser Wille von uns beachtet und der obrigkeitlichen Forderung übergeordnet werden. Aber auch nur in diesem Falle. In allen anderen habe ich mich einfach zu unterwerfen, ganz gleich, welchen politischen Charakter die Obrigkeit trägt, ob sie monarchisch, republikanisch oder was irgend sonst ist, ob sie ihren Verpflichtungen nachkommt oder nicht. Denn es gibt keine Obrigkeit oder Gewalt außer von Gott. Wie einfach macht das den Weg für den Christen!«
»Wo ein Christ leben und in welcher irdischen Stellung er sich befinden mag, er hat der Obrigkeit zu gehorchen, der er unterstellt ist und die heute regiert; kommt morgen, vielleicht selbst infolge einer gewaltsamen Umwälzung, eine andere, so hat er sich der zu unterwerfen, ganz gleich, ob sie ihm gefällt oder nicht. Auch hat er nicht zu untersuchen, ob die Verordnungen, welche die jeweilige Obrigkeit trifft, die Gesetze, die sie gibt, richtig oder unrichtig sind, ob sie ihm und anderen Nutzen oder Schaden bringen; seine Sache ist, für die Obrigkeit zu beten, dass Gott sie richtig leiten und ihr Einsicht und Weisheit schenken möge, zum Wohle des Landes und Volkes zu regieren, und – ihr ohne Murren zu gehorchen, soweit das mit seinem Gewissen verträglich ist. Wenn er verwirklicht, dass seine Interessen nicht mit dieser Erde, sondern mit dem Himmel verbunden sind, wird ihm das auch nicht schwer werden.«
»Niemals gibt das fehlerhafte Verhalten einer höheren oder niedrigen Gewalt, eines der Beamten Gottes, dem Christen ein Recht, seinerseits nun auch seinen Verpflichtungen nicht treu nachzukommen. Fehlt die Obrigkeit in ihrem Auftrag als Gottes Dienerin, so hat sie es mit Gott zu tun; der Christ aber ist gehalten, unter allen Umständen „das Gute zu üben“, auch allen zu geben, was ihnen gebührt, „die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre, dem die Ehre gebührt“ (V. 7).«
Quelle: Rudolf Brockhaus, Gerechtfertigt aus Glauben, Römerbrief, 4. CSV-Auflage 1993, CSV Hückeswagen (Hervorhebungen von mir)

Warum dieses umfangreiche Zitat? Die Schrift lehrt uns, dass es verschiedene Autoritäten in unserem Leben gibt. Da haben wir natürlich Gott und Sein Wort als Autorität, aber auch Menschen (innerhalb der Familie, bezüglich der Schöpfungsordnung, im Arbeitsverhältnis und eben in Bezug auf die Obrigkeit).
Leider sehen wir, dass die Bereitschaft diese Autoritäten anzuerkennen und ihnen mit Respekt zu begegnen (auch bei Christen) immer mehr abzunehmen scheint.
Ist es nicht bemerkenswert, dass Paulus im 1. Timotheusbrief dazu auffordert für die Obrigkeit zu beten, zu einer Zeit, als Nero in Rom als Kaiser herrschte. Dieser Kaiser brachte Verfolgung und Leid über die Christenheit und doch rief Paulus nicht dazu auf diesen Mann zu bekämpfen, sondern schlicht für die Obrigkeit zu beten.
Was ist das Verachten von Herrschaften (s. Judas 1,8) anderes als der „Geist der Gesetzlosigkeit“? H. L. Heijkoop schreibt dazu in seinem Kommentar zum Judasbrief: 
»Es ist die vollkommene Offenbarung des menschlichen Eigenwillens, durch den er s i c h und s e i n e Rechte in den Vordergrund stellt und gleichzeitig sich weigert, eine höhere Autorität anzuerkennen.«
Quelle: H. L. Heijkoop, Der Brief des Judas, 1961, Ernst Paulus Verlag, Neustadt a. d. Weinstr.
Hinzu kommt, dass Gottes Wort wenn es von Gehorsam redet unsere Pflichten bzw. unsere Verpflichtung in den Vordergrund stellt. Es ist zur Mode geworden zuallererst auf unseren (vermeintlichen) Rechten zu beharren, aber gerade das finden wir hier nicht. Ganz grundsätzlich haben wir der Regierung zu gehorchen.
»Das Christentum nährt keinen Geist grober und aufsässiger Unabhängigkeit. Und was gehört sich den Obrigkeiten gegenüber? Gebet, Fürbitte, selbst für die Höchsten, seien es Könige oder sonstige Herrscher! Vor allem sie benötigen eine solche Fürbitte.«
Quelle: William Kelly, Einführender Vortrag zum 1. Timotheusbrief, abgerufen auf bibelkommentare.de
Man kann im Zuge der Corona-Maßnahmen beobachten wie viele der oben genannten Grundsätze missachtet werden. Maßnahmen werden ignoriert, Politiker z.B. als „Verbrecherbande“ beschimpft, offene Auflehnung (wie die Empfehlung Politiker aus den Ämtern zu jagen) sogar gepredigt, indem man seine eigene politische Agenda von der Kanzel herab verkündigt, weil man den derzeitigen politischen Kurs ablehnt. Man sieht eigentlich ernsthafte Gläubige zusammen in Verbindung (Jochgemeinschaften; s. 2. Korinther 6,15) mit allerlei Verschwörungsgläubigen (aus esoterischen, rechts-esoterischen und anderen Bereichen), Rassisten, u.a. Anstatt sich von jeder Art des Bösen fernzuhalten (s. 1. Thessalonicher 5,22) marschiert man auf Demonstrationen in einer Phalanx; wie traurig ist das!
Nein, wir wollen diejenigen anerkennen, die Gott als Autoritäten in unserem Leben gegeben hat. Wir wollen ihnen mit Achtung und Respekt begegnen, gerade dort wo es uns schwerfällt. Wir wollen uns nicht als aufsässig erweisen, sondern als gehorsam. Wir wollen vor allem für „alle, die in Hoheit sind“ beten (Fürbitte! - nicht gegen sie).
Den Knechten wird einmal gesagt, dass ihr Verhalten als Ziel hat, »damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem.« (s. Titus 2,10). Möge unser Verhalten wirklich dazu führen, damit wir auf dieser Erde als Salz und in dieser Welt als Licht (s. Matthäus 5,13-14) wahrgenommen werden.

Zum Abschluss noch der Ausblick auf die Zukunft:
»Gott regiert heute nicht direkt, sondern er tut es in Vorsehungen durch Menschen, die er dazu einsetzt. Erst nach der Entrückung der Versammlung in den Himmel werden die Regierungen nicht mehr von Gott gegeben, sondern direkt von Satan inspiriert sein. Das wird eine furchtbare Zeit sein. Im darauf folgenden 1000-jährigen Reich wird Gott direkt in der Person seines Sohnes regieren. Bis heute aber sind Regierungen von Gott eingesetzt. Gott hat sie als Institution und als Autorität gegeben, damit hier auf der Erde eine gewisse Stabilität garantiert ist. Der Ursprung der Regierungen findet sich nach der Flut. Das wird uns im ersten Buch Mose beschrieben (vgl. 1. Mo 9,6).«
Quelle: Ernst-August Bremicker, 1 Timotheus 2 – eine Vers-für-Vers-Auslegung, abgerufen auf bibelkommentare.de