Donnerstag, 20. August 2009

Mein Weg aus der evangelischen Kirche - Teil 3

In diesem Teil folgt eine weitere Darlegung biblischer Anweisungen, deren praktische Auswirkung und die daraus folgenden Konsequenzen. Dabei werden auch kurz Entwicklungen im evangelikalen Raum außerhalb der ev. Kirche angesprochen. Das abschließende Bekenntnis zeigt dann das Ergebnis meiner damaligen Prüfung.

5) Einheit um jeden Preis?

»Ich ermahne euch aber, Brüder, dass ihr achthabet auf die, welche Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und wendet euch von ihnen ab.« (Römer 16,17; Elb.)
»Einen sektiererischen Menschen weise ab nach einer ein-und zweimaligen Zurechtweisung, da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt, indem er durch sich selbst verurteilt ist.« (Titus 3,10-11; Elb.)

Brüder, die nach mehrfacher Ermahnung unbußfertig an Sünden festhalten sollen und müssen, ausgeschlossen werden:
»Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist, oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Schmäher oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen selbst nicht zu essen.« (1. Korinther 5,11; Elb.)
»Wenn aber dein Bruder wider dich sündigt, so gehe hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde. Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Versammlung; wenn er aber auch auf die Versammlung nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner.« (Matthäus 18,15-17; Elb.)

Gleichfalls sollen wir uns von jenen abwenden:
»...die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg.« (2. Timotheus 3,5; Elb.)
»Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadducäer! Da verstanden sie, dass er nicht gesagt hatte, sich zu hüten vor dem Sauerteig des Brotes, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadducäer.« (Matthäus 16,11b-12; Elb.)

Die Bibel zeigt uns: Einheit ist nicht wichtiger als Wahrheit, sondern Einheit kann nur in Wahrheit geschehen. Absonderung und Gemeindezucht in Treue zu Gottes Wort zerstören nicht die Einheit; Dies geschieht durch Vernachlässigung von beidem. Man kann keine biblische Einheit ohne Absonderung und Gemeindezucht lehren, allenfalls eine politische „Einheit“, wie es auch in der heutigen Ökumene geschieht8).

Charles H. Spurgeon sagte einmal: »Nichts hat die Einheit der wahren Gläubigen so stark gefördert wie der Bruch mit den Falschen. Trennung von solchen, die fundamentale Irrtümer gewähren lassen oder das „Brot des Lebens“ den verderbenden Seelen vorenthalten, ist keine Spaltung, sondern nur das, was die Wahrheit, das Gewissen und Gott von allen erwarten, die treu erfunden werden wollen.«

Wenn Jesus im Johannes-Evangelium in Kapitel 17,20-23 um Einheit betet, so tut er dies in Zusammenhang mit seiner Aussage, dass der Vater die Gläubigen in der Wahrheit heiligen möge, wobei sein Wort die Wahrheit ist (Vers 17). Und in Vers 20 zeigt Jesus, dass seine zukünftigen Jünger durch das verkündete Wort »an mich glauben werden«. Eine (politische) Einheit, die sich nicht auf das Wort gründet, kann also niemals biblische Einheit sein9). Einheit entsteht dort, wo Gott Menschen unter sein Wort stellt und die gemeinsame Unterordnung unter die Schrift bewirkt. Und nur so kann Gemeinde Zeugnis sein vor der Welt.

Einheit auf Kosten der Wahrheit, Einheit die Gottes Wort preisgibt, ist Lüge. Dabei weicht man das Evangelium auf und verliert die Fähigkeit zur Geisterunterscheidung, zur Unterscheidung zwischen Lehre und Irrlehre. Generationen von Christen wären niemals als Märtyrer gestorben, wenn sie eine solche Ökumene gutgeheißen hätte10). Jesus, Paulus, Johannes u. Judas zeigen eindeutig, wie wichtig es ist, das falsche Lehre verworfen wird.

An dieser Stelle möchte ich auf die Zusammenarbeit von evangelischer Kirche, römisch-katholischer Kirche11) , Charismatikern12) , Adventisten und Liberalen bei ProChrist aufmerksam machen13). Wilfried Plock, Vorsitzender der Kommission für Gemeindegründung (KfG), meint, man müsse zurecht auf »Risiken und Nebenwirkungen« bei ProChrist aufmerksam machen, »nämlich die ökumenische Ausrichtung oder die völlig pragmatische Evangelisationsmethodik«14). Ich zweifle nicht an der bedingungslosen Aufrichtigkeit meines [damaligen] CVJM-Vorsitzenden15) Ulrich Parzany, mit der er Menschen in die Nachfolge rufen möchte und glaube in ihm einen lieben und hingebungsvollen Bruder im Herrn zu haben, von dem ich viel gelernt habe und den ich deshalb sehr schätze, doch ich stimmte dem Weg, den er gerade geht sehr bewusst nicht mehr zu16).

Gemeinsame Evangelisation setzt Einheit in klaren und schriftgemäßen Formulierungen voraus. Wer Unklarheit in Kauf nimmt, gar mit Widersprüchlichem dasselbe vertreten will17), erntet statt Glauben unbestimmte religiöse Erlebnisse und Erfahrungen und mehrt die Frucht des »steinigen und dornigen Ackerfeldes«! (Mk. 4). Es stimmt, Gott kann in seiner Souveränität alles gebrauchen um Menschen zum Glauben zu führen und niemand stellt echte Bekehrungen bei ProChrist in Frage. Doch wir haben uns an seinem Wort zu orientieren – nur weil Er auch auf krummen Linien gerade schreiben kann, gibt uns das absolut keine Berechtigung krumme Linien zu ziehen!

Obwohl die Bibel uns auffordert »Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind!« (1. Johannes 4,1), spielt eine solche Prüfung bei ProChrist keine Rolle, sondern man lädt fast jede Gemeinde ein an diesem Missionskonzept teilzunehmen, solange sie nur irgendwie zu Jesus steht; Das tun aber sogar fundamentale Irrlehrer wie die Zeugen Jehovas, die Mormonen oder Siebenten-Tags-Adventisten...

6) Abschließendes Bekenntnis

Hiermit bekenne ich, dass ich einen Verbleib in der evangelischen Kirche in Deutschland weder mit meinem Gewissen, noch vor Gott verantworten kann. Insbesondere werde ich die ganz bewusst vorangetriebenen kirchlichen Fehlentwicklungen nicht mit meinen Kirchensteuern finanzieren. Das Geld soll ausschließlich dem Werk des Herrn zukommen, einer Gemeinde die biblische Wahrheit mit Konsequenz zu verwirklichen sucht.
In Anlehnung an das Augsburger Bekenntnis bekenne ich, dass ich Kirche dort suchen will wo „die Versammlung der Heiligen« ist und »in der das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente recht verwaltet werden«. In freudiger Bejahung der Zusagen der Bibel bekenne ich das ich Glied des Leibes Christi bin, weil ich an den Herrn Jesus glaube und Ihm meine Sünden bekannt habe.
Hierin spiegelt sich meine tiefe Überzeugung wieder, dass wir es mit einem dramatischen Verfallsprozess innerhalb der evangelischen Kirche und großen evangelikalen Teilen zu tun haben, der durch nichts weniger als eine neue Reformation (= Rückbesinnung auf die Schrift und ihre uneingeschränkte Wahrheit) aufgehalten werden kann. Pragmatismus, Ökumenismus, Mystizismus und Psychologismus machen die evangelische Kirche in Deutschland zu einem Missionsgebiet – doch man muss und darf sich nicht gemein mit ihr machen, um in ihr missionieren zu können. Die Allein-Verbindlichkeit der Heiligen Schrift als Gottes Wort ist verloren wo Mehrheitsbeschlüsse zu Themen wie Frauenordination, Abtreibung, Ehe, Familie, Erziehung und Homosexualität mehr gelten und sich Synoden in öffentlichen Akten über die Heilige Schrift hinwegsetzen. Dort wo Homosexuelle für ihr Handeln gesegnet werden, wäre es als sagte Jesus der Ehebrecherin nicht »Geh, aber sündige nicht noch einmal!«, sondern als segnete er sie für ihren Ehebruch. In der Welt mag Demokratie (Mehrheitsprinzip) geboten sein, in der Kirche gilt das Schriftprinzip (Sola scriptura)!

Luther erkannte das die Wahrheit immer den ersten Platz einzunehmen hat; Frei geworden durch die Wahrheit von der Rechtfertigung aus Glauben, verweigerte er der römisch-katholischen Kirchen den Gehorsam. Und als hätte Luther nicht mit seinem Leben diese befreiende Lehre gegen tausend Jahre römische Häresie gedonnert, predigte dieses Jahr [Anm.: 2004] ein katholischer Bischof am Reformationstag in der Kirche von Wittenberg. Diesem Wahnsinn verweigere ich den Gehorsam!
Dr. Martyn Lloyd-Jones schrieb: »[Die Wahrheit] muss den Vorrang haben vor Institutionen und Traditionen; und alles einschließlich der Kirche, muss nach dem Wort der Wahrheit beurteilt werden. Die unsichtbare Kirche steht hoch über der sichtbaren, und die Treue zur Ersteren mag Ausschluss oder Trennung von der Letzteren mit sich bringen und zur Bildung einer neuen sichtbaren Kirche führen.«
Meine Entscheidung formte sich durch Zeiten von Not und Zweifel, auch Verzweiflung und manches, dass ich hier mit scheinbarer Gewissheit vortrage, bewegt mich tief innerlich noch immer und wühlt mich auf. Trotzdem will ich Luthers Worte zu den meinigen machen: »Es sei denn, dass ich durch Zeugnisse der heiligen Schrift oder durch helle Gründe überwunden werde ... da mein Gewissen in Gottes Wort gebunden ist, so kann und will ich nichts widerrufen, da weder sicher noch geraten ist, etwas wider das Gewissen zu tun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen!«

In geschwisterlicher Liebe verbunden
Christus allein, die Schrift allein, Gnade allein, Glaube allein

--- Fortsetzung im nächsten Teil ---

8) Als 2001 in den USA die „Alliance of Confessing Evangelicals“ gebildet wurde, sahen Männer wie R. C. Sproul, John F. MacArthur, John A. Armstrong und Albert Mohler, u. a., einen entscheidenden Grund für der Oberflächlichkeit der evangelikalen Christen in den theologischen Kompromissen, den viele Führer bzw. Älteste eingegangen sind. Mit Sorge sahen sie die Öffnung der NAE (Nationale Vereinigung der Evangelikalen) gegenüber Charismatikern, Liberalen und Katholiken, die zu Verwirrung und dem Verlust biblischer Grundlagen geführt hat. Der Trend geht immer mehr zu einem verkürzten und verwässerten Evangelium.
9) Dr. Martyn Lloyd-Jones griff das Thema Einheit mehrfach auf (z. B. in »Einig in Wahrheit: Der wahre Weg zur Einheit«, 3L-Verlag). Er warnte schon in den 70er Jahren vor einer Identitätskrise der Evangelikalen, nämlich dass dort wo Lehrunterschiede gegenüber liberaler Theologie und dem Katholizismus verharmlost werden, der ursprüngliche evangelikale Wahrheitsanspruch schrittweise aufgegeben wird. Leider haben sich seine Befürchtungen bewahrheitet.
10) »Ihr Protestanten, die ihr heute eure Freiheiten wie Billigware verschleudert, werdet einmal den Tag verfluchen, an dem ihr euch die alten Ketten wieder an die Knöchel passen ließet. Das Papsttum fesselte und tötete unsere Väter – und wir machen es zu unserer Nationalreligion!« (Charles H. Spurgeon)
11) »Als die Reformatoren zu den Quellen zurückgingen und die Wahrheit der Bibel entdeckten, führte dies nicht zur Stärkung einer allgemein-christlichen Einheit, sondern zur Trennung vom Katholizismus! Wer die biblischen Aussagen, etwa über den von Gott offenbarten Erlösungsweg, ernstnimmt, wird nicht mit der katholischen Werkgerechtigkeit ausgesöhnt, sondern von dieser weggeführt.« (Wolfgang Nestvogel)
12) Ich bekenne mich hier weitgehend zur »Berliner Erklärung« von 1909; siehe auch R. Ebertshäuser: »Die charismatische Bewegung im Licht der Bibel«, CLV 1995; Wolfgang Bühne: »Spiel mit dem Feuer«, CLV 1991; Fritz Wolf: »Warum ich kein Charismatiker mehr bin«, CLV 1997; Ausführungen von Wilfried Plock
13) Vielfach nachgewiesen u. a. von Jens Grapow in »Pro Christ wohin?«, CLV (2002), E. Brüning, H.-W. Deppe und L. Gassman in »Projekt Einheit – Rom, Ökumene und die Evangelikalen«, Betanien (2004)
14) Eine wahrhaftige Analyse der Predigtinhalte von ProChrist 2003 wurde von W. Nestvogel in »Evangelisation in der Postmoderne«, CLV 2004 durchgeführt.
15) Nachträgliche Anmerkung: Zu dem Zeitpunkt besuchte ich auch den CVJM, der ebenso wie der Württembergische Brüderbund lange Zeit für mich eine geistliche Heimat war.
16) »Menschen zum Glauben zu rufen und sie dann nicht in einer bibeltreuen Gemeinde zu verankern, bedeutet Kinderzeugen für den Mörder« (John Wesley)
17) »Wenn wir mit der Theologie, die wir heute haben, eine Erweckung bekommen, bedeutete es für die Christenheit eine moralische Tragödie, von der sie sich in hundert Jahren noch nicht erholt hat.« A. W. Tozer (1959). Leider ernten wir heute diese Früchte...