Sonntag, 14. Juni 2009

Warum ich kein Calvinist (mehr) bin...

...und nie ein Arminianer sein werde.

Spurgeon bekannte einst in seinem „Plädoyer für den Calvinismus“:
Das System der Wahrheit, das in der Heiligen Schrift offenbart ist, ist nicht eine gerade Linie; es sind zwei. Und niemand wird jemals eine richtige Sicht des Evangeliums erhalten, bevor er nicht gelernt hat, beide Linien zugleich zu sehen.

Zum Beispiel lese ich in einem Buch der Bibel: »Der Geist und die Braut sagen: „Komm.“ Und wer es hört, der sage: „Komm.“ Und wen dürstet, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst.« Und doch lerne ich an einer anderen Stelle desselben inspirierten Wortes Gottes, dass es nicht »an jemandes Wollen oder Laufen« liegt, »sondern an Gottes Erbarmen«. An der einen Stelle sehe ich, wie Gott in seiner Vorhersehung über allem steht, und doch sehe ich auch, und ich kann nicht daran vorbei, dass der Mensch handelt, wie er will, und dass Gott sein Handeln in einem großen Maße ihm selbst überlassen hat und seinem eigenen freien Willen.

Wenn ich nun auf der einen Seite behaupten würde, dass der Mensch so frei ist in seinem Handeln, dass es keine Kontrolle Gottes über sein Tun gäbe, dann wäre ich sehr gefährlich nahe an den Atheismus herangekommen. Wenn ich auf der anderen Seite erklären würde, dass Gott alle Dinge so sehr überwacht, dass der Mensch nicht frei genug ist, um selbst verantwortlich zu sein, dann wäre ich sofort beim Antinomismus oder Fatalismus.

Dass Gott vorherbestimmt und dass der Mensch doch selbst verantwortlich ist, sind zwei Tatsachen, die nur wenige klar sehen. Man hält sie für unvereinbar miteinander und für Widersprüche, aber sie sind es nicht. Der Fehler liegt in unserem schwachen Beurteilungsvermögen. Zwei Wahrheiten können sich nicht gegenseitig ausschließen. Wenn ich also an einer Stelle der Bibel finde, dass alles von oben her bestimmt ist, dann ist das wahr. Wenn ich dann an einer anderen Stelle finde, dass der Mensch für alle seine Taten verantwortlich ist, dann ist auch das wahr. Es ist einzig und allein meine Dummheit, die mich dazu bringt, zu denken, diese beiden Wahrheiten könnten sich jemals widersprechen. Ich glaube nicht, dass sie je auf irgendeinem irdischen Amboss zu einer einzigen Wahrheit zusammengeschmiedet werden können, aber sie werden sicher in der Ewigkeit eins sein. Sie sind zwei Linien, die so parallel sind, dass der menschliche Verstand ihnen so weit, wie es geht, folgen kann, ohne zu sehen, dass sie sich jemals treffen. Aber sie treffen sich und werden eins, irgendwo in der Ewigkeit, nahe bei dem Thron Gottes, wo alle Wahrheit entspringt. [1]
Viele haben sich schon mit diesem Zwiespalt auseinandergesetzt, wie die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen miteinander in Einklang zu bringen sind. Der Calvinismus sieht die Verantwortung des Menschen als gegeben an, selbst wenn er dabei außschließlich auf die Souveränität Gottes setzt. Der Arminianismus hingegen verlagert Gottes Handeln zum Teil fast vollkommen in die Vergangenheit und betont eigentlich nur noch die Verantwortung des Menschen in der Gegenwart.

Diese Ausarbeitung soll weniger eine akademische Abhandlung sein, als vielmehr ein persönliches Zeugnis.

Zuerst soll festgehalten werden, dass das was wir heute als Calvinismus bezeichnen definitiv nicht das Herzstück von Calvins Lehre ist. Er handelt die Lehre der Erwählung in seinem Hauptwerk der Institutio sehr spät ab, nachdem er zuvor die Lehre von Gott, dem Herrn Jesus Christus, dem Heiligen Geist, über den Menschen und den Glauben ausgebreitet hat. Im zweiten „Genfer Katechismus“ von 1542 wurde – im Gegensatz zur ersten Version von 1537 – auf ein besonderes Lehrstück über die Erwählung sogar wieder verzichtet. Calvin selbst warnte vor Spekulationen:
Zunächst sollen sie sich daran erinnern, dass sie mit ihrem Forschen nach der Vorbestimmung in die heiligen Geheimnisse der göttlichen Weisheit eindringen; wer nun hier ohne Scheu und vermessen einbricht, der erlangt nichts, womit er seinen Vorwitz befriedigen könnte, und er tritt in einen Irrgarten, aus dem er keinen Ausgang finden wird! Denn es ist nicht billig, dass der Mensch ungestraft durchforscht, was nach des Herrn Willen in ihm selber verborgen bleiben soll, und dass er die Hoheit seiner Weisheit, die er angebetet und nicht begriffen wissen wollte und um deretwillen er uns ja eben wunderbar sein will, geradezu von der Ewigkeit her durchwühlt.“ ... „Auch sollen wir uns nicht schämen, in einer solchen Sache etwas nicht zu wissen, in der es eine wohlgelehrte Unwissenheit gibt! [2]
Entgegen Calvin: Gerade aus dem oben genannten Grund lehnen auch viele Calvinisten die Lehren der „doppelten Prädestination“ und der „Sühnung nur für die Auserwählten“ als unbiblische Spekulationen ab, so dass ihnen von Vertretern der „reinen Lehre“ teilweise abgesprochen wird überhaupt „Calvinisten“ zu sein. Wenn man nicht vor hat sich an Menschen und ihren Lehren zu orientieren, sondern zu prüfen was die Schrift sagt kann man damit prinzipiell gut leben („Denn was sagt die Schrift?“; Römer 4,3a). In der Tat lehne ich es ab anders bezeichnet zu werden als ein „Christ“ (s. Apg. 11,26)!

Wilfried Plock resümiert über die Zeit in der der Arminianismus an die Stelle der calvinistischen Theologie trat:
Das menschliche Bemühen, um den Willen des Menschen zu neigen, wurde öffentlich betont und gefördert. Durch menschlichen Einsatz sollten andere dazu gebracht werden, das freie Geschenk der Errettung anzunehmen.
Nach und nach wurde so der ganze Glaube verändert. [3]
Tatsächlich wirkte sich dieser Wechsel vom einen zum anderen Extrem absolut negativ aus. Während die Calvinisten noch unbedingt an der treuen Predigt des Wortes festhielten, indem sie unerschütterlich darauf vertrauten das Gott durch dieses wirken würde, öffneten sich die Arminianer dem Zeitgeist, indem sie jegliche Ehrfurcht vor Gott und Seinem Wort verloren und den Menschen und seine "Bedürfnisse" aufs Podest hoben.
Keith Green hat schon vor mehr als 25 Jahren in seinem erschütternden Aufsatz „Was ist falsch am Evangelium?“ mit bemerkenswerter Klarheit nachgewiesen wie Teile vom Evangelium entfernt und andere hinzugefügt wurden – und wie die damalige Entwicklung weitergegangen war, die mit Leuten wie Charles Finney begonnen hatte. Gerade der 1982 verunglückte Sänger dürfte kaum unter Verdacht stehen zu den üblichen Bedenkenträgern gezählt zu werden, so dass die Lektüre - unter http://www.kfg.org/gg/GG85.pdf - nur empfohlen werden kann.
Man könnte noch einiges dazu ausführen, aber dies ist hier nicht das Thema.

Im Verlauf meiner Beschäftigung mit den Lehren des Calvinismus und Arminianismus entdeckte ich schließlich eine Ausarbeitung von John N. Darby, die mich überzeugte und das Dilemma in dem ich gedanklich steckte auflöste. Er beschrieb und bezeichnete genau das was ich beobachtet hatte (Alle Hervorhebungen von mir):
Die Arminianer sehen in dem Tod Christi nichts weiter als ein Opfer für alle und verbinden damit gewöhnlich auf allgemeine Weise das Tragen der Sünden. Dadurch wird alles unklar in Bezug darauf, dass Christus die Sünden des Einzelnen wirklich und vollgültig getragen oder ein besonderes Werk für die Seinigen getan hat. Sie sagen, dass, wenn Gott alle liebte, Er nicht einige insbesondere lieben konnte. Die Errettung wird somit unsicher gemacht und der Mensch nicht selten erhoben, [...]

Die Calvinisten dagegen halten fest daran, dass Christus die Sünden der Seinigen getragen habe und ihre Errettung somit ganz gewiss sei. Sie bleiben aber bei dem Schluss stehen, dass, wenn Er die Versammlung geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben habe, Seine Liebe außer ihr keinen anderen Gegenstand gehabt haben könne. Sie übersehen den unverkennbaren Charakter der Sühnung, Sein Sterben für alle und alles. Sie sehen nur die Stellvertretung und berücksichtigen nicht die Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl.

Genau genommen lesen wir von Christus nie, dass Er die Welt, sondern dass Er die Versammlung geliebt hat, und zwar mit der Liebe eines besonderen Verhältnisses (Eph. 5). Von Gott dagegen heißt es nie, dass Er die Versammlung, sondern dass Er die Welt liebte (Joh. 3,16), was Seiner göttlichen Güte entsprach, Seiner göttlichen Natur angemessen war; Sein Ratschluss aber ist etwas anderes. Seine Herrlichkeit ist das Endziel von allem. [4]

So gesehen wollen wir die klaren Worte der Schrift festhalten:
»Und wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Heiland der Welt.« (1. Johannes 4,14; Elb)
»Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.« (1. Johannes 2,2; Elb)
»..er sich selbst gab zum Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte.« (1. Timotheus 2,6; Elb)
So können wir auch verstehen, dass es Menschen gibt die »den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen.« (2. Petrus 2,1b; Elb)
In der Tat, wer den Herrn Jesus ablehnt für den wird es keine Erlösung geben: »Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.« (Johannes 3,18; Elb)

Das Blut Jesu ist genug diejenigen von ihrer Schuld zu reinigen (s. 1. Johannes 1,7), die durch das Wort Gottes an Ihn glauben werden (s. Johannes 17,20). »Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blute« (Offenbarung 1,5b; Elb)
Preis, Ehre und Anbetung in Ewigkeit! Amen!

Quellenverzeichnis
[1] www.glaubensstimme.de
[2] Johannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religion (nach der letzten Ausgabe übersetzt und bearbeitet von Otto Weber), 6. Auflage der einbändigen Ausgabe, Neukirchener Verlag, Buch III – Kapitel 21
[3] Wilfried Plock, Gott ist nicht pragmatisch, Wie Zweckmäßigkeitsdenken die Gemeinde zerstört, 1. Auflage 2004, Betanien Verlag, Oerlinghausen
[4] http://www.soundwords.de