Freitag, 9. September 2011

Lese-Tagebuch - Eintrag 9

Buch: Der Mann wie Gott ihn haben will – 20 Merkmale geistlicher Reife
Autor: Gene A. Getz
Auflage: Copyright der deutschen Ausgabe 2002
Verlag: Christlicher Missions-Verlag, Bielefeld
ISBN: 3-932308-30-1
Seitenzahl: 160

Das Buch beschäftigt sich mit den in 1. Timotheus Kapitel 3 und Titus Kapitel 1 genannten Merkmalen für geistliche Führerschaft. »Jedes Kapitel behandelt ein bestimmtes Merkmal von Glaubensreife und ist in sich abgeschlossen.« (ebd., Seite 11). Und: »neunzehn der aufgezählten zwanzig Qualifikationen« haben »mit dem Ruf, der sittlichen und moralischen Haltung, dem Temperament, den Gewohnheiten sowie der geistlichen und seelischen Reife eines Mannes zu tun.« (ebd., Seite 14)

Diese Feststellung ist schon bemerkenswert. Wir legen den Schwerpunkt oftmals mehr auf die Fähigkeiten, als auf die Person – manchmal trennen wir beides sogar noch analytisch. Aber ist das wirklich biblisch? Und wie steht es um die geistliche Gesinnung, wenn Fähigkeiten (vorhandene oder vermeintlich fehlende) zum maßgeblichen Beurteilungsmaßstab werden?

Halten wir noch einmal fest, was wir schon in Eintrag 8 sehen durften, nämlich, dass es um den Charakter“ (= Gepräge, Abdruck) geht, darum »Jesus Christus ähnlich zu werden.« (ebd., Seite 17). Mancher einfache Gläubige ist da reifer, als es so mancher je sein wird, der sich etwas auf seine Fähigkeiten, sein Wissen oder sein Können einbildet.
»Gläubige verfallen häufig in zwei Extreme: Entweder sind sie in ihren eigenen Augen nichts, oder sie haben übertrieben positive Ansichten über sich selbst. Ein unreifer Mensch ist zwischen diesen beiden Haltungen hin- und hergerissen.« (ebd., Seite 39)
Letztlich ist Nachfolge immer ein schmaler Grad, den wir nur in der völligen Abhängigkeit von Jesus Christus als unserem Herrn und Heiland geradlinig gehen können. Wir stehen immer in der Gefahr zur Rechten oder zur Linken abzuweichen.

Die Bibel unterscheidet verschiedene Arten von Liebe, unter anderem Philia und Agape.

Sehr vereinfacht lässt sich Philia als seelische (o. gefühlsbedingte) Liebe bezeichnen, die ihr Ursache im Gegenüber findet. (Und so auch Sympathie, menschliche Zuneigung oder Freundschaft hervorruft).
Agape (zumindest im Substantiv) ist hingegen unabhängig von Gefühlen und sucht unverbrüchlich das Beste für den Anderen, selbst wenn dieser auch nicht im geringsten einen Ansatz liefert ihn zu lieben. Die göttliche Liebe wird fast immer als Agape bezeichnet; selten – aber durchaus nicht grundlos –als Philia bzw. als Verb phileo z.B. in Johannes 16,27.

Mit dieser kleinen Einleitung verstehen wir auch das folgende Zitat besser:
»Biblische Liebe ist nicht ein Gefühl! Sie ist eine Einstellung und hat mit Handeln zu tun. Biblische Liebe ist Geduld, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Demut, Höflichkeit und Aufrichtigkeit, wie Paulus uns in 1. Korinther 13 zeigt.« (ebd., Seite 52+53)
Die Unterscheidung zwischen Philia und Agape ist durchaus keine theoretische. Gerade die Vermengung von beiden hat in der Praxis schon viel Unheil angerichtet, wenn die vermeintliche Agape-Liebe doch „nur“ Philia war. Verstehen sie mich nicht falsch, beides hat seine Berechtigung und seinen Platz, aber Philia kann Agape nicht ersetzen. Dies zeigt sich insbesondere dann wenn andere uns enttäuschen, dann schwindet die seelische Liebe sehr schnell. Die Agape hingegen – lassen sie es mich noch einmal sagen - sucht immer das Beste für den anderen!

Wenn wir nun solche Texte vor uns haben wie 1. Timotheus Kapitel 3, Titus Kapitel 1 oder eben auch 1. Korinther Kapitel 13, dann sehen wir – wenn wir ehrlich sind – sehr deutlich wo wir es nötig haben geistlich zu reifen. Jeder mag sich hier selbst prüfen.

Ein weniges noch zu dem Buch selbst: Ich bin nicht mit allen psychologischen Darlegungen einig die genannt werden. Um den Geist zu nähren halte ich es nicht für notwendig das Fleisch zu analysieren. Daher denke ich auch, dass diesem Bereich weit weniger Bedeutung zukommt als ihm eingeräumt wurde. So interessant und richtig es vielleicht sogar an mancher Stelle sein mag auf die (früh)kindliche Vergangenheit zu verweisen, so wenig nötig halte ich es für das Finden eines geistlich guten Weges. Die Heilige Schrift ist die Grundlage, »damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt.« (2 Timotheus 3,17; ElbCSV).
Deshalb schließe ich mit etwas, was der Autor an anderer Stelle schreibt:
»Es gibt keinen Ersatz für die Bibel als Spiegel für jene Lebensgebiete, auf denen wir nicht Jesus Christus reflektieren.« (ebd., Seite 103)